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Saanen, Canton Bern, Freitag, 16 Juli 1858 Boruch haschem! Theuere Mama! Geliebte Kinder! Danket Gott mit mir, der mir die Schritte gelenkt und auch zu, wie ich hoffe recht glücklicher Erholung hier- her geführt hat! – Nachdem das Wetter sich wieder sehr schön gemacht hatte, gelangte ich gestern, nachdem ich Mittwochs meinen alten Freund in Anschi (?) besucht hatte, die sich alle überaus sehr mit mir freueten, glücklich hier an. An den Lenk, wohin ich wollte, liegt ... ab, hat keine Verbindung mit der Welt, weshalb ich dachte, ich wollte mich doch einmal erst hier umsehen, ein Ort in einer Landschaft, die, nach Baedeckers Beschreibung zu urtheilen, nur viel Ansehnlichkeit mit Appenzell zu haben versprach, und so ist es auch, nur dass es hier in jeder Beziehung weit schöner ist. Es ist auch hier eine große, weite Alpenlandschaft, ohne Getreidebau, nur Wiesen, in der Mitte liegt Saanen, ein Ort, der 3 bis 4000 Seelen zählt, deren Wohnungen aber in unzähligen Sennhütten und Häusern zerstreut liegen, die Berge darüber hoch, grün und bewaldet
Seite 2 bis zur Spitze, überragt von breiten, großen Schnee- feldern. Saanen liegt über 3000 Fuß ü M., ich sehe also 4 bis 500 F. noch auf unseren Feldberg hinab, und dennoch sehe ich Euch, Ihr meine Lieben, ins Haus und spreche heute Abend das Wichtigste über Euch! – Unterwegs besprach ich mich mit unsrem Conducteur, und dieser empfahl mir die Pension, worin ich mich beschied. Es ist hier sehr schön! Das Haus, nach Art des Berner Oberlandes aus Holz gebaut, mit einem großen und ge- schwungenen Vorsprung, der stets Schatten gibt, liegt wenige 100 Fuß über Saanen und man hat eine herrliche Aussicht auf den Ort, auf den Fluß „Saane“, der herrlich rauscht, und seine fichtbewachsenen Ufer, auf die weiten Wiesen, was vorher „gehauen“ wird – d.h. gemäht, daher Heu, Hau, etwas für Ihras Sprachstunden – auf die Bergwiesen und ein ... .... auf die Gletscher. Ich wohne im zweiten Stock, in einem sehr schönen Zimmer – den ersten Stock hat eine französische Familie La Harpe ... ... ... ... auch hier, Gottlob – ich habe ein hübsches Sofa, ein vortreffliches Matrazenbett, Commode, Schrank etc., der Kaffee ist ausgezeichnet, Milch und Butter Seite 3
großartig gut, man kann nach Belieben auch Chocolade oder Thee naschen, die .... ist überhaupt trefflich, und man zahlt – ich muß Euch doch das Beste aufs Ende aufheben – Alles in Allem täglich 3 fr., ich muß es Euch mit Worten schreiben, sonst glaubt ihr’s nicht, drei Franken! – Also nicht wahr? Ich hab’s gut getroffen? – Liebe Mama, da musst du einmal mit hebr. „im yirze hashem = Gott will ! – Es gibt aber auch weiter noch Frankreich, ich wollte sagen, noch die französische Schweiz hier, die eine Stunde von hier in Rougemont beginnt, ... für 2 ½ und 2 Fr. täglich, doch wird ihre der Com ... fehlen und die Räumlichkeit und Noblesse, die im hiesigen Hause herrscht, das nun meine ... ... Frau gehalten wird, dem Mann während des ganzen Sommers auf den Bergen ist. Auf 2 und 3 Stunden von hier sind die herrlichsten Gletscherparadiese, die ich besuchen werde. Links ist man von hier in einem Tage Mittag in den Walliser Alpen, rechts in ¾ Tag am Genfer See. Also an Ausflügen, wer Lust hat, kein Mangel; Ich aber werde mir hier vorzüglich Seite 4
die Ruhe und die köstlich reine Luft bekommen lassen. Erinnert doch Freund Leon an sein halbes Versprechen, das er ergänzen möge, mich hier, wenn auch nur auf 8 Tage zu besuchen; das wäre herrlich! Und was er der liebenswürdigen Sophie mitbrächte, dann wäre es prächtig. Von Frankfurt kann man, ohne große Anstrengung, in nicht ganz zwei Tagen hier sein, ebenso von Paris. Also, in der „machschobe!“ – Was macht unser lb. Sigmund? Schickt ihm meinen Brief, nebst Billett und Gedicht! – Grüße an Ignatz, Bapst und die l. Großmutter! – Mit Sehnsucht, l. Kinder, sehe ich Euren freundlichen Briefen – auch aus Goldbet- tücher (?) dem ich bereits eine herrliches schwarzes Körbchen gekauft, wird .... sowie das gute Zeugnis der l. Mutter über Euch alle auch gegen .... und .. kann ich nicht ruhig und vergnügt sein. – Beifolgendes in die ...., wenn’s noch angst – Von meinem stillen, lieben Aufenthaltsort dahin, wo ich in der That noch ... gehabt, macht weiter keinen Gebrauch und zu solchen Zufluchtsorte der Ruhe muß man schweigen wie zu ... Schätzen – Meine Adresse ....: „Herrn Stein zu Saanen, Schweiz, Cantra -... ... Halde. Fort alle Titel! Es lebe die Natur und der reine Mensch! – Theuere Mama, geliebte Kinder, ich küsse Euch im Geist herzlich als Euer
... Stein
Beifolgender Brief ... ... ... Frau Beifuß ...
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